Ganzheitliche Büroplanung durch Partizipation von Bauherrn und Nutzern

Im Gespräch mit Guido Rottkämper und Gabriele Church, design2sense - die Arbeitsweltverbesserer

Das Büro wurde 2010 von Guido Rottkämper in Leipzig gegründet. Im Fokus aller Planungstätigkeiten des Architekturbüros liegt die Verbesserung der Arbeitsumgebung und eine auf kundenspezifische Anforderungen angepasste – ganzheitliche – Raumlösung. Durch partizipative Prozesse werden gemeinsam mit den Bauherrn und den späteren Nutzern im Rahmen von Workshops genaue Bedarfsanalysen durchgeführt und Veränderungsprozesse angestossen. Guido Rottkämper ist Verwaltungsbauspezialist und verfügt über Moderations- und NLP-Ausbildungen. Gabriele Church, Büropartnerin, ist Hochbauarchitektin und Wirtschaftsmediatorin. Zuhören und gut vernetzte Kommunikation ist bei der Vorgehensweise des Büros das A und O im Ringen um die ideale Lösung.

Sie haben sich mit dem Slogan „die Arbeitsweltverbesserer“ der Gestaltung von Arbeitsplätzen verschrieben. Wie kam es dazu?

Guido Rottkämper:
Im Laufe der Zeit kam unsere Einsicht, dass das, was wir machen, nicht Verwaltungsbau ist, nicht Interior Design und nicht Möbelplanung. Unsere Aufgabenstellung hat immanent etwas mit dem Arbeitsprozess zu tun. Über den partizipativen Prozess greifen wir in das gesamte Thema der Arbeitswelt ein. Bis zu dem Punkt, dass wir einen Change-Prozess anstossen und das Führungsverhalten in dem Zusammenhang verändert wird.

An der Bauhaus-Universität in Weimar habe ich mich dem Verwaltungsbau gewidmet, habe lange bei einem Generalunternehmer grosse Projekte im Hochbau umgesetzt, wo ein Gebäude letztlich als Hülle betrachtet wurde. Es gab damals aber schon den partizipativen Ansatz und mir war immer klar: Ein Verwaltungsbau funktioniert nicht als leere Hülle. Man muss ihn von innen nach aussen denken – erst verstehen, wie die Leute arbeiten. Der Übergang von der Innenarchitektur ins Äussere darf nicht gespürt werden. Die Lösung muss integrativ sein. In Workshops habe ich realisiert, wie wenig oft die Strukturen zu den Menschen passen, die drinnen arbeiten. Viele Firmen wollen mit einem Neubau auch nur den Status Quo ihrer Arbeit in die Zukunft verlängern. Das ist nicht der Weg.
Wir hinterfragen vieles ganz grundsätzlich und stossen Gedanken an. Wenn unsere Bauherrn bereit sind, zu investieren, fragen wir immer: „Seid ihr euch sicher, dass ihr zukünftig so arbeiten wollt, wie heute? Seid ihr sicher, dass ihr das Geld nicht falsch investiert, wenn ihr die Vergangenheit nur verlängert?“

Zum Namen Design2Sense kamen wir dadurch, dass Entwerfen etwas mit Wohlfühlen und Sinnhaftigkeit zu tun hat: Sense und Sensitivity. Als wir nach einem Claim suchten, hatte ich gerade von Oscar Niemeyer „Wir müssen die Welt verändern“ auf dem Nachttisch. Meine Frau merkte an „Du bist so ein alter Weltverbesserer!“ Es gibt unglaublich viel Literatur zum Schöner Wohnen aber keine Literatur zum Schöner Arbeiten. Wir verbringen mehr Zeit an Wachbewusstsein im Büro als zu Hause. Da hat jeder das Recht darauf, dass sich Arbeiten besser anfühlt. So kam es, dies ist unser Anspruch. Also – es ist eine Mission!

Gabriele Church:
Ich komme aus der klassischen Architektur und habe viele unterschiedliche Bauaufgaben realisiert. Bei mir war da ziemliches Frustpotential vorhanden, weil die Nutzer quasi nie gefragt wurden und dann hinterher unzufrieden gegenüber mir als verantwortlicher Architektin waren. Daher sehe ich in dem partizipativen Vorgang einen wirklichen Sinn. Ich habe mich auch viel mit Konfliktmanagement beschäftigt, bin selbst Wirtschaftsmediatorin und weiss, wie Konflikte in Unternehmen entstehen. So sind wir zusammengekommen und haben gesagt: Das können wir besser!

Guido Rottkämper:
Es ist auch so simpel. Das immanente Wissen für einen Bau ist vorhanden, weil die Betroffenen Erfahrung haben mit der Vergangenheit und auch Wünsche haben, wie es zukünftig sein sollte. Letztendlich heben wir genau dieses Potential – mehr ist es nicht. Arbeitnehmer wissen am besten, wie sie arbeiten und was sie brauchen. Wir heben dieses Wissen im Rahmen der Workshops. Teilnehmer bekommen hier eine Plattform, sich kennenzulernen und auszutauschen – wie vielleicht nie vorher. Hinterher finden sie Lösungen und fragen sich, warum sie nicht alleine darauf gekommen sind.

Gibt es nicht auch die Gefahr der Pseudobeteiligung – am Ende macht die Geschäftsleitung doch, was sie will?

Gabriele Church:
Das ist eine grosse Gefahr. Es passiert schnell, dass nach dem partizipativen Workshop die Chefs bei der Festlegung der Budgets versuchen, etwas zu drehen. Guido ist da ganz der Anwalt der Mitarbeiter und warnt davor, die Belegschaft hinters Licht zu führen. Wir drängen darauf, auch die grössten Kritiker von Anfang an mit einzubeziehen.

Guido Rottkämper:
Wenn wir als Berater spüren, dass wir missbraucht werden, warne ich aus verschiedenen Gründen, sich über den Prozess zu erheben. Die Entscheidungsfindung ist einfach demokratischer, denn einzelne Entscheider auf Führungsebene sind immer überfordert, da sie die Antworten gar nicht alleine geben können.

 

Wie gehen Sie genau an Ihre Planungsaufgaben heran? Wie finden Sie Lösungen gemeinsam mit den Kunden und Nutzern?

Guido Rottkämper:
Die Zielsetzung seitens des Kunden ist meist, dass wir eine Fläche bauen sollen, die edler ist als die heutige und die später einen besseren Umgang untereinander mit sich bringt. Goethe hat gesagt „Behandle denen Nächsten nicht so wie er ist, sondern wie er sein könnte.“ Auf dem Weg dorthin begleiten wir sie. Wir behandeln unsere Kunden wie sie sein könnten und den Raum wie er sein könnte. Natürlich muss vor allem der Kunde sich dahin verändern, wie er sein könnte und die Überwindung dieser Brücke hat mit Kulturveränderung zu tun. Das, was wir bauen, ist ein Trojanisches Pferd – in dem „durchs Tor schieben“ verändern sich die Leute.

Gabriele Church:
Der Workshop ist die Initiativzündung und umfasst Leistungen bis zur Vorplanung. Erst erklären wir die Bausteine einer Büroplanung, die Grundfunktionsweisen einzelner Räume und Anwendungen. Dann folgt der Workshop mit symbolischen Bildkärtchen, die wir von Raumtypologien angefertigt haben. Bilder funktionieren assoziativ schneller als Begriffe. Teilnehmer des Workshops entscheiden also mehr über die Tätigkeiten, die sie wo in welcher Interaktion umsetzen wollen. So können wir auch das Raumprogramm entwickeln und den wirklichen Bedarf festlegen. Grundproblem vieler Verwaltungsbauten ist, dass es zu wenig und zu grosse Räume gibt. 80 Prozent sämtlicher Besprechungen finden zwischen 3 und 4 Personen statt – da ist der repräsentative grosse Konferenzraum nicht die gesuchte Option. Wir fragen auch – wie demokratisch ist eine Tischform – so philosophisch sich das anhört. Auch das Thema „All-Hands Meeting“ auf Sitzstufen, gleich einer Arena, wo sich alle treffen können, ist unglaublich wichtig zur Vernetzung. Das ist sehr gefragt, ein Marktplatz in der Mitte! Wenn alle ihre Bedarfe angegeben haben, lassen sich gut Abgleiche machen und Flächen gemeinsam nutzen. Viele wollen letztendlich das Silodenken überwinden und über die Grenzen der eigenen Abteilung hinauswachsen.

Guido Rottkämper:
Nutzer wollen doch eher projekt- als abteilungsbezogen arbeiten und merken oft in den Workshops, dass ihre Strukturen überhaupt nicht mehr passen. Mitarbeiter legen hier mit den Karten die Strukturen ganz neu. Alle stehen dann da und der Chef sagt: „Ich mag gar nicht daran denken, was passiert wäre, wenn wir diesen Prozess nicht aktiv gemeinsam bewältigt hätten. Der Wandel wird angestossen und das ist Grund, warum wir mit Kärtchen auf dem Fussboden arbeiten. Die Herangehensweise ist spielerisch. Szenarien können gelegt werden und es ist noch kein Raumprogramm.

»In unseren Workshops arbeiten wir immer mit Bildkärtchen. Die funktionieren assoziativ schneller als Begriffe.«

Wie werden die Ideen dann zur Realität, wie werden aus Bildern im Kopf die fertigen Räume?

Guido Rottkämper:
Später setzen wir alles in Layouts um – Zellenstruktur oder nicht Zellenstruktur wird im zweiten Schritt erarbeitet. Wir präsentieren mehrere Varianten mit einer grösstmöglichen Divergenz. Die Bandbreite an Möglichkeiten wird in einem weiteren Workshop diskutiert. Dann fangen wir an, verschiedene Ansätze in Idealszenarien umzubauen. Es ist ein Verdichtungsprozess. Viele können ja keine Architekturpläne lesen. Wir sind verantwortlich dafür, dass der Kunde im Kopf anhand unserer Darlegungen seinen Tagesablauf durchgespielt haben kann, bevor er den Plan freigibt. Wenn er im Plan schon nicht mitreden kann, ist die Planung auch nichts wert.

Gabriele Church:
Da wir keine endlosen Schleifen drehen wollen, ist unsere Methode schnell und führt eher zu einem Konsens. Einzelne Entscheider sind sich oft ihrer Sache nicht sicher. Wenn sie sich auf die Schwarmintelligenz der Mitarbeiter verlassen, hingegen schon.

Was tun Sie, um die Vorstellungskraft der Kunden zu unterstützen? Was halten Sie von virtuellen Darstellungen in 3D?

Guido Rottkämper:
Coole Diskussion! Wir versuchen, weitgehend ohne fotorealistische Darstellungen auszukommen. Grund ist, dass wir feststellen, dass sich die nachts am Schreibtisch eines übermüdeten Visualisierers entstandenen Bilder im Kopf eines Kunden einbrennen. Und das zu einem Zeitpunkt, wo bestimmte Entscheidungen noch gar nicht akut sind. Es entsteht der Eindruck, dass alles „quasi schon gebaut“ sei. Hinterher muss man dann um so mehr diskutieren, wenn es wirklich um diese Punkte geht. Wir formen die Art des Miteinanders und bleiben erst mal auf einer soziologischen Ebene. Wir manifestieren räumlich, was zeitlich und soziologisch abgeht. Dieser Findungsprozess kommt völlig ohne Visualisierung aus. Wir wollen, dass die Teilnehmer eigene Bilder im Kopf entwickeln.

»Bei unserer Herangehensweise ist das Zuhören wesentlich.«

Ihre Kunden sind also selbst die Entwerfer ihrer neuen Arbeitswelt?

Guido Rottkämper:
Wir gehen den Weg des co-kreativen Prozesses und hüten uns davor, eine eigene Handschrift durchzusetzen. Alle unsere realisierten Projekte unterscheiden sich am Ende völlig voneinander, weil wir das bauen, was der Kunde will. Wir geben Wahlmöglichkeiten und Impulse. Die Findung findet im Unternehmen statt. Der Kunde ist unser Designer. Wir gehen Projekte nicht mit der Zielsetzung an, dass sie in einer Zeitschrift publiziert werden, sondern damit sich die Nutzer später darin wohl fühlen.

 

»Wir gehen den co-kreativen Weg und hüten uns davor, eine eigene Handschrift durchzusetzen.«

Welche ist heute Ihrer Meinung nach die grösste Herausforderung bei der Umsetzung von Arbeitswelten?

Gabriele Church:
Akustik und Licht sind zwei komplexe Gebiete. Das Thema Akustik haben wir immer auf dem Schirm, aber wir merken, dass man es viel früher in den Prozess einbringen muss.

Guido Rottkämper:
Akustikthemen werden ja nicht nur über Produkte gelöst. Wir betrachten den physischen, den zeitlichen und den sozialen Raum. Es gibt häufig Aspekte, bei denen man den einen Punkt in den anderen verlagern kann. Grundsätzlich ziehen wir immer einen Akustikexperten hinzu, um früh diese Fragen zu klären. Spätere Lösungen über Produkte kosten immer Geld. Sinnvolle Zonierung hingegen nicht. Kunden müssen auch dafür sensibilisiert werden, wie Störung zustande kommt. Auch eine Störkultur gehört dazu. Wo telefoniere ich, wann etc. Wir haben zum Beispiel im Büro den „Rudie“, den Ruhigen Dienstag eingeführt. Es gibt viele Geschäftspartner, die am Dienstag grundsätzlich nicht anrufen.

Wie können später organisatorische Veränderungen, Veränderungen von Raumstrukturen diesem Anspruch folgen?

Guido Rottkämper:
Durch Raum-in-Raum-Konstellationen. Später muss der Kunde bei Veränderungen diese akustischen Fragen selbst berücksichtigen. Wir entwickeln gerade viele Box-Lösungen. Dadurch lassen sich kleinere Einheiten gestalten. Die Produkte, die auf dem Markt sind, funktionieren nicht optimal, da das Thema Belüftung meist nicht durchdacht ist. Ideal ist es, wenn diese Module komplett verschoben werden können. Erst Zonieren und dann Rückzug. Der Rest findet am Möbel statt. Dann habe ich die hohe Flexibilität und die Fläche ist wie eine grosse Bühne, die bespielt werden kann. Das Thema Produktentwicklung ist dabei essentiell. Es müssen integrative Lösungen gefunden werden: Kann ich gut sitzen? Wo kann ich mich anstöpseln? Stimmen Belüftung, Akustik und Licht? So müssen wir zu einer extrem komprimierten Lösung finden!

 

Welche Rolle spielt die Corporate Identity und deren bauliche Umsetzung bei Ihren Projekten?

Guido Rottkämper:
Raum und Kultur sind Identität! Was wir entwickeln, sind die Räume für diese jeweils unternehmenstypische Kultur. Corporate Identity meint sowohl das Wertebild nach Aussen als auch das nach Innen. Das nach Innen ist dann Employer-Branding, wenn der Mitarbeiter seine Arbeitsräume aktiv mitgestalten kann.

Sind schon alle Möbel erfunden, die die moderne Arbeitswelt wirklich braucht? In Ihren Projekten finden sich viele Individuallösungen und massgefertigte Möblierungen. Wie hoch ist die Bereitschaft Ihrer Bauherrschaft, sich darauf einzulassen?

Guido Rottkämper:
Etwa die Hälfte bis ein Drittel aller von uns eingesetzten Möbel sind individuell, der Rest sind Serienmöbel. Als wesentliche raumgliedernde Elemente sind etwa Teeküchen ein wichtiges Thema. Sitzmöbel für All-Hand Meetings mit integriertem Stauraum sind ganz wichtig. Dabei handelt es sich immer um individuelle Lösungen. Auch Empfangstresen sind charakteristisch. Die gute Handwerkslösung mit Schwalbenschwanz-Verzinkung ist gerade sehr gefragt. Individuelles, besonderes Mobiliar in Massivholz … . Seitens unserer Auftraggeber ist eine grosse Lust zu verspüren, sich damit zu befassen. So beschäftigen wir uns viel mit Produktentwicklung, weil Kunden immer häufiger auch Lösungen beanspruchen, die es nicht fertig am Markt gibt.

Gabriele Church:
Ganz aktuell werden grosse Regale im Empfangsbereich gewünscht, als erweitertes Postfach. Immer mehr Mitarbeiter lassen private Online-Einkäufe in die Firma schicken, wo sie dann erst mal gelagert werden müssen. IT-Mitarbeiter ziehen gerne ihre Strassenschuhe aus, für die dann ein Schuhregal erforderlich ist. Neue Mobilitätskonzepte, beispielsweise durch den Einsatz der zunehmend beliebten, klappbaren E-Bikes, erfordern Stauraum auch hierfür. Nicht zuletzt sind Spinde sehr gefragt, wenn man mit dem Rad kommt und sich umziehen will. All diese Anforderungen spiegeln sich in einem holistischen Bürokonzept wieder.

 

Und die Bauherrschaft ist bereit, für diese Specials Geld auszugeben?

Guido Rottkämper
Ja, allen Ernstes! Und der Grund ist, dass viele Firmen Angst haben, zukünftig nicht das Personal rekrutieren zu können, das sie benötigen. Darum investieren sie in die Attraktivität ihres Standortes. Das ist der Haupttrigger. Unternehmer investieren nicht, um mögliche Burnouts zu vermeiden. Aber über die Argumente der Arbeitgeberattraktivität ist Überzeugungsarbeit möglich – auf Basis der Angst! Viele Bewerber springen heute ab, wenn sie ihren zukünftigen „unattraktiven“ Arbeitsplatz sehen. So ist der Raum als Recruiting-Instrument enorm wichtig. Mehrkosten bei der Innenarchitektur und im Innenausbau im Vergleich zu den Kosten von Headhuntern und Einarbeitungsphasen stehen in keinem Verhältnis.

Gabriele Church:
Wir hatten einen Bauherrn, der sagte: „Macht uns das Gebäude so, dass der Bewerber schon wenn er reinkommt – noch vor dem Bewerbungsgespräch – weiss, dass er bei uns arbeiten will.“ Wir peilen mehr Lächeln an, dass man sich wohler fühlt bei der Arbeit.

Guido Rottkämper:
Das ist 'ne Aufgabenstellung!

Inwieweit spielt bei Ihren Planungen Gesundheit der Mitarbeiter eine Rolle?

Gabriele Church:
Ja, wir arbeiten hier viel mit Stehtischen; Die sind für Meetingsituationen mittlerweile meist gefragt. Wir integrieren Bewegungsanreize in den voraussehbaren Tagesablauf. Wenn man 20 Prozent der Zeit oder mehr in Meetings verbringt, kann man hier automatisch die Haltung wechseln. Menschen bewegen sich intuitiv mehr, wenn sie durch die gegebene Einrichtung unterschiedliche Raum- und Möbelkonstellationen ansteuern und immer wieder andere Räume aufsuchen können.

Guido Rottkämper:
Es ist auch erwiesen, dass zufriedene Mitarbeiter weniger krank sind. So sind Wertschätzung, gefragt werden und Einflussnahme das Gegenteil von Ohnmacht. Durch die psychische Gesundheit werden Fluktuation und Krankheitstage gesenkt. Auch Betriebsräte pochen nicht mehr auf höhenverstellbare Schreibtische, denn meist arbeiten doch alle im Sitzen. Es gab auch schon Mitarbeiter, die wollten gerne einen Fitnessraum auf der Etage – haben sich aber gleichzeitig beschwert, dass nicht jeder einen nahegelegenen Parkplatz hatte. Darauf entschied der pfiffige Vorstand, den Firmenparkplatz komplett zu sperren, so dass jeder sich freie Parkplätze innerhalb der Stadt suchen musste. So wurden der längere Weg zum Auto oder die Anfahrt per Fahrrad zu einer sinnvolleren Massnahme für die Fitness. Der Vorstand brachte diesen Bedarf auf den Punkt.
Wenn ich es jedoch mit Dauerarbeitsplätzen und sich ständig wiederholenden Haltungen zu tun habe, komme ich um ergonomische Sitzlösungen und Fitnessangebote nicht herum. Manche Räume können auch temporär anders und multifunktional genutzt werden: als Yogaraum, als Gebetsraum mit Toilette und Wasserhahn – oder als Ruhe-, Rückzugs oder Stillraum. Gemeinsam wird immer eine Lösung gefunden.

»Raum als Recruitinginstrument ist heute enorm wichtig. Wir verknüpfen die Diversität von Meinungen im Unternehmen, um herauszufinden, was am Ende tragfähig ist. So entstehen Konsens und Identifikation.«

Sie bezeichnen sich als „interdisziplinäre Tellerrand-Ignorierer“?

Gabriele Church:
Architektur und Bauen stellen ja schon ein besonders abgegrenztes Gebiet dar. Wir beziehen immer andere Aspekte und aktuelle Themen mit ein, um das Zukunftsdenken zu berücksichtigen. Wenn wir uns Vorhaben anschauen, gibt es immer die Ebene „Machbarkeit“ aber auch die „Metaebene“. Wir schauen immer an, was passiert da, gibt es Themen, die der Kunde noch gar nicht auf dem Schirm hat, die dort mit einfliessen müssen. Ganz neu für uns ist, dass wir für grosse Unternehmen Themenkomplexe wie etwa Mobilität integrieren. Wie kommen die Leute an die Arbeitsplätze? Dafür muss man über den Tellerrand blicken – abseits von der Gebäudehülle.

Guido Rottkämper:
Wenn man versucht, einen holistischen Ansatz zu verfolgen, stört der Tellerrand ganz gewaltig. Damit wir so arbeiten können, müssen wir bei den Kunden die Vorstellung ausradieren, dass wir in irgendeine Kategorie einzuordnen seien. Das führt zu interessanten Anrufen von grossen Firmen nach dem Motto: „Wir wissen was Arbeitsplätze sind, aber wir wissen nicht, was ‚Neue Arbeitsplätze‘ sind und was ‚Neue Arbeitswelten für uns‘ bedeutet“. Lösungsansätze dafür stehen in keinem Lehrbuch von heute. Da heisst es, ein Fass aufzumachen, und man muss schauen, worum es geht. Das ist unser Auftrag. Wir geben Überblicke und helfen – bis hin zur Kommunikationsstruktur. Es geht immer um dringende Denkprozesse und um das Hinterfragen von sich selbst. Wir manifestieren das alles ins Räumliche. Firmen sind uns dankbar dafür, dass wir den Tellerrand ignorieren.

Gabriele Church:
Wir sind nicht die Berater, die Papiere generieren, sondern wir setzten um.

Guido Rottkämper:
Wir verknüpfen die Diversität von Meinungen im Unternehmen, um herauszufinden, was am Ende tragfähig ist.

 

Was bedeutet dies in der Praxis und wie setzten Sie Ihr Team zusammen?

Guido Rottkämper:
Bei unserer Herangehensweise ist das Zuhören wesentlich. Männer haben ihren Fokus darauf, eine Marke zu hinterlassen – daher arbeiten bei uns eher wenig Männer und mehrheitlich Frauen. Nicht zuletzt auch, weil Innenarchitektur und Raumgestaltung eher eine Frauendomäne ist. Wir sind „die Arbeitsweltverbesserer“ – daher befindet sich mein Name auch nicht im Firmennamen. Die Idee ist mir wichtig. Wir sind auf „WeQ“ und nicht auf „IQ“ gebürstet und da sind Frauen stärker. Ausserdem haben wir alle im Team Kommunikationstrainings absolviert. Solange wir mit einem Unternehmen zusammen arbeiten, werden wir Teil dessen. Das ist paradox. Es hat mit der Art und Weise zu tun, die uns wichtig ist.

 

Wir bedanken uns für das Gespräch!

Interview: Dorothea Scheidl-Nennemann
Fotos: André Bolliger